Berliner Dachterrassen-Idyll

Gärten sind toll, aber auch Dachterrassen haben ihren Reiz. In luftiger Höhe ist Container Gardening angesagt, und meist beschränkt man sich auf wenige Pflanzen, da jeder große Blumentopf, jede Pflanze und jeder Sack Erde mühevoll die Treppen hochgeschleppt werden muss. Heute stellt uns Nina Bodenlosz, Autorin und Lektorin wissenschaftlicher Texte, ihren Berliner Dachgarten vor:

Montag, 28. Mai 2012

SAM_0496 Foto: Nina Bodenlosz

Wo liegt deine Dachterrasse? Meine Dachterrasse liegt in Neukölln, Nähe Hermannplatz, im zweiten Hinterhof

Wie würdest du deine Terrasse in drei Worten beschreiben? Hinterhofidylle, Dachlandschaft, Sommerzimmer

Wann hat sich bei dir die Liebe zu Pflanzen entwickelt? Gab es ein Schlüsselerlebnis (z.B. in der Kindheit)? Ich habe als Kind oft alleine auf dem Balkon gespielt. Dort gab es immer Löwenmäulchen und zwei Rosenstöcke, einen weißen und einen roten.

SAM_0491 Foto: Nina Bodenlosz

Besonders fasziniert haben mich die dicken Hummeln, die sich mit Mühe zwischen die Blütenblätter zwängten, um den Blütenstaub zu sammeln. Die Blüten schlossen sich und verschluckten die Hummeln, aber ich konnte sie drinnen summen hören. Als ich ganz klein war, dachte ich, dass es die Blumen wären, die mit mir sprachen. Meine Mutter hat darüber gelacht, aber ich wusste, dass ich recht hatte.

Lavendel Foto: Nina Bodenlosz

Ich hatte kein gutes Verhältnis zu meinem Vater, der bei uns in der Familie für den Balkon zuständig war. Er war ein Mensch, der seine wahren Gefühle nicht zeigte und sich eher mürrisch und passiv-agressiv verhielt. Aber er kaufte mit den Jahren immer mehr Blumen, die er auf dem kleinen Balkon der Neubauwohnung einpflanzte und trotz Nord-West-Ausrichtung zum üppigen Blühen brachte. Der Balkon war sein persönlicher Bereich, den schließlich kein anderer betrat, und der vor Farben, Energie und Leben nur so strotzte, während es in der Wohnung eher dunkel, zugestellt und bedrückend aussah.

In den Jahren vor seinem Tod hatte ich keinen Kontakt mehr zu ihm. Aber als er gestorben war, kaufte ich mir eine Rose und pflanzte sie auf meinem Balkon ein. Vorher hatte ich gedacht, ich könnte keine Rosen pflegen und über den Winter bringen. Als wäre es eine Anmaßung. Aber seit drei Jahren gedeiht die Rose, blüht und wächst. Es ist wie eine Verbindung zu meinem Vater, etwas, das wir nun auf einer anderen Ebene teilen können. Manchmal spricht meine Rose mit mir und sage mir keiner, dass das nur die Hummeln sind!

SAM_0490 Foto: Nina Bodenlosz

Seit wann gärtnerst du? Seit ich eine Dachterrasse habe, also seit ca. 15 Jahren.

Folgt die Gestaltung deiner Dachterrasse einem bestimmten Konzept? Eher nicht. Es ist oft sehr heiß auf der Terrasse und es weht eine steife Brise. Manchmal komme ich nicht zum Gießen. Ich habe schon eine Art Bewässerungssystem aus leeren Weinflaschen. Also gibt es viele Pflanzen, die es verzeihen, mal einen Tag lang nicht versorgt zu werden. Meine Terrasse ist eher ein Lebensraum für beharrliche und selbstständige Individuen. Ich wähle die Pflanzen immer nach meinem Bauchgefühl und jedes Jahr sieht die Terrasse etwas anders aus.

Gibt es Kunst o.ä. auf deiner Dachterrasse? Nein, nur ein, zwei Steine und einen Metallvogel.

SAM_0493 Foto: Nina Bodenlosz

Gärtnerst du biologisch? Ich verwende möglichst biologischen Dünger und versuche, Schädlinge ohne Gift loszuwerden. Klappt meistens.

Was sind deine Lieblingspflanzen? Ich mag sehr gerne Lavendel, Wandelröschen (besonders den Geruch) und, klar, Rosen. Ich mag keine Geranien, Petunien und sowas.
Mir gefallen oft besonders mediterrane Pflanzen und Blumen, die wie "einfache Blumen" aussehen, also einen Kreis in der Mitte haben mit Blütenblättern außen herum (Gänseblümchen, Mittagsblumen, Sonnenblumen, Sonnenhut etc.). Ich liebe Rittersporn (die Farbe!), aber den kann man leider nicht in Kübeln ziehen.

Gibt es Pflanzen, die trotz aller Bemühungen bei dir einfach nicht gedeihen wollen? Salbei (weiß nicht warum), Kapuzinerkresse (zu windig).

Was möchtest du auf deiner Dachterrasse unbedingt noch realisieren? Eine Alternative zu den Plastikblumenkästen finden, die gut aussieht, im Winter nicht aufplatzt (Terrakotta) und sich in der Sonne nicht so sehr aufheizt wie Zink. Das gestaltet sich schwierig. Nächster Versuch dann 2013.

SAM_0492 Foto: Nina Bodenlosz

Möchtest du sonst noch etwas über deine Dachterrasse erzählen? Vielleicht sollte ich erwähnen, dass die Terrasse eigentlich einer Elster gehört, die meine Anwesenheit dort nicht immer schätzt. Sie sitzt dann auf dem Dach gegenüber und schimpft lauthals, bis ich endlich verschwinde. In meinen Blumenkübeln und -kästen findet sich mitunter jede Menge Brot - halbe Brötchen, Toastscheiben. Das ist ihre Speisekammer, an der ich nichts zu suchen habe. Ich könnte das Brot ja selber essen unter dem Vorwand, die Pflanzen zu gießen.

Liebe Nina, danke, dass du so bereitwillig Auskunft gegeben hast! Übrigens: Hilfestellung bei der Auswahl geeigneter Container für euren Balkon oder die (Dach-)Terrasse gibt die Pflanzkübel-Suchmaschine.


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